Bauchtanz

Raqs Scharqi

Arabisch heisst der Bauchtanz "raqs scharqi", "Orientalischer Tanz". Der Bauchtanz ist ein ganzheitlicher Tanz, der alle Körperbereiche erfasst, von den Fusssohlen bis zu den Haarspitzen. Die meisten Bewegungen gehen von der Körpermitte aus. Die Wirbelsäule bildet eine ruhende Achse, um die das Becken oder der Brustkorb kreisen. Beim Kreisen des Kopfes - wobei dieser gerade gehalten wird, bleibt die Wirbelsäule ruhig. Bei den so genannten Shimmys vibrieren das Becken oder der Brustkorb. Diese Vibrationen lockern den Schulter- und den Beckengürtel. Obwohl es einige Grundschritte gibt, ist der Orientalische kein raumgreifender Tanz. Die Bewegungen breiten sich in rhythmischen Wellen über den Körper aus. Seine Spannung und Faszination bezieht er daraus, dass der Körper selbst zum Tanzraum wird, die Tänzerin tanzt mit und in ihrem Körper. Ganz anders die Kunst des klassischen Baletts, bei dem die Tänzerin ihren Körper durch Sprünge oder Drehungen im Raum bewegt. Hier geht es darum, die Illusion von Leichtigkeit und Schwerelosigkeit zu schaffen. Die Tänzer scheinen durch den Raum zu schweben und zu fliegen. Der Orientalische Tanz ist dagegen ein erdverbundener Tanz. Die Grundhaltung, aus der die Bewegungen entstehen, verbindet die Tänzerin mit der Erde. Der Orientalische Tanz bezieht seine Schönheit nicht aus der Kraft, sondern aus der Fähigkeit der Tänzerinnen, einen guten Kontakt zum Körper zu haben und sehr bewusst mit ihren Muskeln zu spielen. Deshalb wirken vor allem die Shimmys bei erfahrenen Tänzerinnen so leicht und mühelos.

Woher kommt der Bauchtanz?

Die Ursprünge des Tanzes liegen in Afrika. Es gibt Beschreibungen von Fruchtbarkeits-, Hochzeits- und Geburtstänzen der Pygmäen, die verdeutlichen, dass die Beweglichkeit des Beckens im Tanz eine wichtige Rolle spielt. Durch die Pygmäen, die als Sklaven an den Hof der Pharaonen kamen, verbreiteten sich die Tanzfiguren nach Aegypten. Den Pharaonen gefielen die Fruchtbarkeitstänze, die Tanzfiguren wurden übernommen, sodass sich im alten Aegypten daraus eine eigene Tanzform entwickelte.

Der Orientalische Tanz wurde aber vermutlich nicht nur in Aegypten getanzt. Auf über 3'000 Jahre alten ägyptischen Sandsteinreliefs in Sakkara, sind Tänzerinnen mit einem Hüftschwung dargestellt. Zu dieser Zeit erlebte das sumerische Reich eine Blütezeit. In Mesopotamien, im Land zwischen Euphrat und Tigris, entstand der Kult der Göttin Ishtar (andere Schreibweisen sind Ishtar oder auch Ischtar). Da sich der Kult der Göttin rasch im gesamten vorderen Orient ausbreitete, ist es denkbar, dass die Darstellungen auf den ägyptischen Sandsteinreliefs eine Verbindung zu Tänzen im Zusammenhang mit dem Ishtarkult haben. Es könnte sein, dass in diesen Szenen ebenfalls Fruchtbarkeitstänze dargestellt sind.

Vorurteile über Bauchtanz

In seinem Buch Der Eunuch stellt Johoannes Tralow den Osten und den Westen einander gegenüber. Er berichtet über die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Oesterreich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Roman erzählt die Freundschaft der Christin Julienne mit dem obersten Eunuchen des Harems und gibt ebenfalls einen guten Einblick in moralische Werthaltungen und das Leben im Harem.
Auch heute verbinden viele Menschen den Orientalischen Tanz mit dem "Haremstanz" und haben Bilder vor Augen, die weitestgehend von den Darstellungen der Orientalisten des 19. Jahrhunderts geprägt sind, einer Gruppe von Malern, die Szenen aus dem Orient darstellten. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Europa zu dieser Zeit körperfeindlich und prüde war. Die Haremsdarstellungen oder Szenen aus dem Badehaus, dem türkischen hamam, waren für die Künstler eine Möglichkeit, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und ohne Zensur einen weiblichen Akt zu zeichnen. Die meisten Bilder der Orientalisten sind mit Modellen in den Pariser Ateliers entstanden und nicht vor Ort, weil Fremden der Zutritt zum Harem nicht gestattet wurde und zudem der islamische Glaube Abbildungen von Personen verbietet. Diese Bilder trugen leider dazu bei, dass der Orientalische Tanz als reiner Vergnügungstanz und als Tanz zur sexuellen Stimulation des Mannes missverstanden wurde. Seine ursprüngliche Bedeutung als Tanz der Liebe und des Lebens war in Vergessenheit geraten.

Gerade zu dem Zeitpunkt, als die viktorianische Prüderie ihren Höhepunkt fand, kamen die Westeuropäer direkt mit dem Bauchtanz in Berührung. Auf der Weltausstellung in Chigago 1893 führte die Tänzerin "Little Egypt" mit einer Gruppe von Frauen Bauchtanz vor. Die Vorführung löste einen öffentlichen Skandal aus. Die Presse beschrieb damals "schreckliche Bewegungen" und mit der Ueberschrift "Wenn Bäuche tanzen" soll von einem Reporter das neue Wort "belly dance" geprägt worden sein.

Bauchtanz macht Spass, ist sinnlich, fantasievoll und erotisch

Es gibt bestimmte Grundfiguren, die in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden können. Eine Frau kann sich ganz dem Tanz und ihrem Gefühl hingeben. Es gibt keine Vorgaben für bestimmte Schrittfolgen, denn im Ursprung ist der Bauchtanz ein Improvisationstanz. Vor allem in Aegypten wurden von berühmten Tänzerinnen kunstvolle Choreographien geschaffen. Ihre Persönlichkeit gab den Choreographien jeweils ein ganz eigenes Gesicht.

 "Quelle: Bauchtanz, Lebenselixier aus dem Orient, Jean Pütz, Pina Coluccia, Annette Paffrath"